Das historische Mainzer Deutschhaus - eine Zeitreise
Das imposante Gebäude aus dem 18. Jahrhundert spiegelt in seiner wechselvollen Geschichte bedeutende Kapitel rheinischer, deutscher und europäischer Geschichte wider. Im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstört, wurde das Gebäude in den Jahren 1950/51 in nur 153 Tagen zum Parlamentsgebäude ausgebaut.
Das Deutschhaus mit einem zur ersten deutschen Industrieausstellung 1842 im Hof errichteten hölzernen Pavillion
1946 wurde auf Initiative der französischen Besatzungsmacht das Bundesland Rheinland-Pfalz gegründet und Mainz zur Landeshauptstadt bestimmt. Weil Mainz schwer zerstört war, tagte die verfassungsgebende "Beratende Landesversammlung" und ab 1947 der Landtag in Koblenz. 1950 beschloss der Landtag, nach Mainz umzuziehen, und zwar in das Deutschhaus, das zu diesem Zweck wieder aufgebaut werden sollte. Nach einer nur halbjährigen Bauzeit konnte der Landtag am 18. Mai 1951, dem Beginn der zweiten Wahlperiode, sein neues Domizil beziehen.
Seinen Namen verdankt das Deutschhaus seiner ursprünglichen Bestimmung: es wurde in den Jahren 1729 bis 1740 als Residenz des damaligen Hochmeisters des Deutschen Ritterordens erbaut, von Franz Ludwig von Pfalz Neuburg, der in Personalunion Kurfürst-Erzbischof von Mainz war.
Das "Deutschordenshaus" wurde nach Plänen des Kurmainzer Baudirektors Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Grünstein im Stil des französischen Barock errichtet. Es besteht aus Haupthaus und zwei den Hof flankierende Pavillons. In dem zur Stadtseite hin rechts gelegenen Pavillon befand sich ursprünglich eine Kapelle.
Namhafte Künstler wie der Augsburger Freskomaler Christoph Thomas Scheffler, die Würzburger Stuckatoren-Familie Castelli und der Mainzer Hofbildhauer Burkard Zamels gestalteten das Ordensritterpalais zu einem der prächtigsten Profangebäude im Kurmainzer Raum.
Einladung der Öffentlichkeit zur Konstituierenden Sitzung des Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents ins "Deutsche Haus"
Es war die Zeit der Französischen Revolution. Französische Revolutionstruppen erobern im Oktober 1792 die Stadt Mainz und lösen das erste Demokratie-Experiment auf deutschem Boden aus: Die "Mainzer Republik".
In den von den Franzosen besetzten Gebieten der Pfalz und Rheinhessens fanden erstmals "Volkswahlen" statt, bei denen neue Gemeindeverwaltungen und eine verfassunggebende Versammlung für das gesamte Besatzungsgebiet gewählt wurden. Das aktive Wahlrecht stand allen über 21-jährigen selbstständigen Männern zu, war aber mit der Eidleistung auf Volkssouveränität, auf Freiheit und Gleichheit verbunden.
Der auf diese Weise gewählte Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent gilt als das erste nach demokratischen Grundsätzen gewählte Parlament in Deutschland. Der Konvent schaffte unverzüglich "alle bisherigen angemaßten willkührlichen Gewalten" ab. Er erklärte per Dekret vom 18. März 1793 das Gebiet von Landau bis Bingen zu einem unabhängigen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Staat und das Volk zum einzig rechtmäßigen Souverän. Noch am gleichen Tag rief der Präsident des Konvents, Andreas Joseph Hofmann, vom Balkon des Deutschhauses den Rheinisch-Deutschen Freistaat aus.
Mit der Rückeroberung der Stadt Mainz durch die verbündeten preußischen und österreichischen Truppen war auch das Ende des im Deutschhaus proklamierten Freistaates besiegelt. Der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent versammelte sich zu seiner letzten Sitzung am 31. März im Deutschhaus; die Franzosen kapitulierten nach einer viermonatigen Belagerung der Stadt am 23. Juli 1793.
Im April 1796 bezog der Oberbefehlshaber der Rheinarmee der verbündeten Preußen und Österreich, Erzherzog Karl von Österreich, Quartier im Deutschhaus. Durch den Frieden von Campo Formio vom Oktober 1796 kam das linksrheinische Gebiet schon kurz vor Jahresende wieder zu Frankreich. Mainz wurde Hauptstadt des Departements Donnersberg und das Deutschhaus Sitz der Departement-Verwaltung.
In der zweiten Franzosenzeit war das Deutschhaus von 1804 bis 1813 Napoleonische Residenz. Napoleon I. besuchte mehrere Male Mainz als Hauptstadt des Departements Donnersberg und weilte hier auch vor und nach seinen Feldzügen gegen Österreich, Preußen und Russland. Kaiserin Marie-Luise, die ihn vor seinem Russlandfeldzug 1812 nach Mainz begleitete, war von der Rheinlandschaft und der Maison Teutonique so begeistert, dass Napoleon das Haus als kaiserlichen Palast ausstatten ließ. Sein Vorhaben, das Deutschhaus und das Kurfürstliche Schloss durch Anbauten zu verbinden und unter Einbeziehung des Schlossplatzes eine Residenz nach dem Vorbild der Tuilerien zu errichten, konnte Napoleon nicht mehr verwirklichen. Er logierte am 2. November 1813 zum letzten Mal im Deutschhaus, als Geschlagener der Völkerschlacht von Leipzig.
Das Deutschhaus mit einem zur ersten deutschen Industrieausstellung 1842 im Hof errichteten hölzernen Pavillon
In dem 1816 zwischen Österreich, Preußen und dem Großherzogtum Hessen geschlossenen Staatsvertrag wurde der Nordteil des ehemaligen Departements Donnersberg (ab 1818 "Rheinhessen") dem Großherzogtum zugeteilt.
Das Deutschhaus wurde Großherzoglich-Hessisches Palais. Es wurde aber noch weitere Jahre von den Gouverneuren der Bundesfestung bewohnt und diente auch gekrönten Häuptern als Gästehaus, so die britische Königin Viktoria und Prinzgemahl Albert anlässlich ihrer Deutschlandreise 1845, so Kaiser Wilhelm II., wenn er zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg Jahr um Jahr im August zur Truppenparade nach Mainz kam.
1842 stand das Deutschhaus ganz anderweitig im Blickpunkt. Es war Schauplatz der Ersten Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung, auf der 720 Aussteller aus 21 deutschen Staaten vertreten waren. Die am 12. September eröffnete Ausstellung zählte während ihrer fünfwöchigen Dauer ca. 75.000 Besucher.
Zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 wurde im Deutschhaus wieder Kriegsrat gehalten. König Wilhelm I. von Preußen (nach Kriegsende im Schloss von Versailles zum Kaiser des Deutschen Reiches proklamiert) hatte die Stadt Mainz mit ihren Festungswerken zum Ausgangspunkt des Frankreichfeldzuges und das Deutschhaus zum Standort seines Großen Hauptquartiers bestimmt. Der König und seine Berater Roon, Moltke und Bismarck hielten sich vom 2. bis 7. August in Mainz auf, bis nach dem ersten deutschen Sieg bei Wörth. Im November wurde das Großherzogtum Hessen abgesetzt; das Großherzogliche Palais wechselte in den Besitz des Hessischen Staates.
Ab Dezember 1918 wehte auf dem Deutschhaus erneut die Trikolore. Bis zum Ende der Rheinlandbesetzung residierte hier der Kommandierende General der französischen Besatzungstruppen. Die Franzosen zogen am 30. Juni 1930 ab, gemäß dem Locarno-Pakt, dem von Stresemann und Briand eingeleiteten Friedenswerk. Aus Anlass der Rheinlandbefreiung besuchte Reichspräsident von Hindenburg am 19. Juli 1930 die Stadt Mainz. Das Festessen zu Ehren Hindenburgs wurde im Deutschhaus gegeben.
Bei dem großen Bombenangriff auf die Stadt Mainz am 27. Februar 1945 wurde das Deutschhaus bis auf die Außenmauern zerstört.
Ausgebranntes Deutschhaus nach 1945
Seit dem tagt der Landtag Rheinland-Pfalz im wieder aufgebauten Gebäude, dem Deutschhaus, Sitz des Landesparlaments. Seit Anfang 2016 hatten Sanierungsarbeiten am Deutschhaus begonnen, das bis zum Ende der Arbeiten imSeptember 2021nicht genutzt werden konnte. Der Interims-Plenarsaal, der während der Sanierungsphase genutzt wurde, befindet sich in der Steinhalle des Landesmuseums Mainz.
Die schwarz-rot-goldene Fahne an der Stirnseite des Plenarsaales wurde beim Hambacher Fest von 1832 getragen und soll an diese Volksversammlung für politische Freiheit und nationale Einheit erinnern.
Seit Februar 1999 besitzt der Landtag ein weiteres Gebäude, das Abgeordnetenhaus. In diesem Gebäude sind erstmals alle Abgeordneten des Landtags und die Fraktionsgeschäftsstellen unter einem Dach untergebracht.
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Wissenschaftliche Untersuchung zum Deutschhaus im Vorfeld der Generalsanierung